Freitag, 6. Dezember 2013

abgehakt und angekommen ...

   
   
... oder ein Landei genießt die Stadt ;-)


Nun ist der Schlüssel der alten Wohnung übergeben, der Sperrmüll hoffentlich noch rechtzeitig vor Sturm "Xaver" abgeholt und Zeit, hier die letzten Kisten auszupacken und das neue Nest richtig zu schmücken..

   Die letzte Woche war noch einmal ziemlich stressig, zu vieles war noch zu tun oder war uns wichtig. Dazu kam noch ein Missgeschick beim Gartenberäumen, in dessen Folge ich zum Naseröntgen musste (zum Glück mit Entwarnung) und jetzt ein bisschen wie ein Alien rumlaufe und dazu eine Steissbeinprellung mit mehr oder weniger Geduld ertrage. Naja, dumm gelaufen, aber all das ist heilbar.


Einmal noch waren die Kinder mit in der alten Wohnung, puhlten die Aufkleberreste von den Kinderzimmertüren und zündeten das Abschiedsfeuer im Garten an.
   
  
    
   
Nicht nur die Äste, die die Herbstwinde von den alten Bäumen geweht hatten, sondern auch so manches in die Jahre gekommene kreative Holz-Nagel-Werk aus den ersten Hortjahren meines Lütten verwandelte sich in Wärme und Asche. Trennen muss manchmal sein, tut aber auch gut.
   
  
    
   
Und während ich die Baumscheiben (die modrige Unterseite, der Rest dieser Hocker zog auf den Stralsunder Balkon) lodern sah, wurde ihr Symbolwert deutlich. Kreise schließen sich, es fühlte sich alles rund an ...
   
  
    
   
 Für manchen mag mein Umzug vom Land in die Stadt schwer verständlich sein, für uns ist er genau richtig. Und wenn manchmal etwa Wehmut durchkommt, dann täuscht das.

Ich habe die ersten 9 Jahre meiner Kindheit in einem kleinen Dorf im Thüringer Wald verbracht. Danach zogen wir in die nahe Stadt, verbrachten aber die Wochenenden im Gartenhaus auf dem Land. Am Anfang genoss ich beides, irgendwann war mir die Clique in der Stadt wichtiger als die Naturliebe meiner Eltern.
  
Es folgten Wanderjahre, die Lehre im jetzigen Chemnitz, das Studium in Dresden, an den Wochenenden Touren durch's ganze (damals noch deutlich kleinere) Land, später vorwiegend an die Felsen der Sächsischen Schweiz. Ich glaube, da ist meine Nähe zur Natur wieder erwacht.

Dann kam kurz vor dem Diplom die Wende und eine Phase der Neuorientierung begann, wieder verbunden mit diversem Umzügen, mal in eine Stadt, dann man wieder auf's Land. Beides hatte Vorteile, beides habe ich genossen.

Bis ich vor über 17 Jahren nach Rügen zog. Mein Lebensabschnitt auf Rügen wurde länger als alle vorherigen, Rügen wurde eindeutig meine Heimat, Thüringen wurde mir zu eng.

Auf Rügen sind meine Kinder zur Welt gekommen, hier haben sie die ersten Jahre ihrer Kindheit verbracht. Und auf Rügen habe ich Freunde gefunden und ein tolles Projekt mit aufgebaut, habe vieles bewegen können, bin daran gewachsen ... 

... und gescheitert. Ja jetzt bin ich soweit, es hier zu schreiben. Ich hab nicht gut genug auf mich aufgepasst, manches Zeichen übersehen, ignoriert oder nicht richtig gedeutet ... ein Burnout war die Folge.

Inzwischen habe ich vieles be- und verarbeitet, über mich gelernt, bin aufmerksamer geworden, habe Ballast abgeworfen und unser Leben vereinfacht.

Genau dazu gehörte unser Umzug. Was nützt die Wohnung mit Garten, wenn die Zeit fehlt, ihn auch zu nutzen? Was nützt der schöne Wald in der Nähe, wenn wir ihn die meiste Zeit doch nur mit dem Auto durchqueren, um pünktlich in der Schule, am Schreibtisch oder sonstwo zu sein? Ist die tolle Privatschule für die Kinder wirklich weiterhin sinnvoll, wenn vor lauter Geldverdienen die Mutter abends nur noch müde und unaufmerksam ist?

Viele Gedanken habe ich mir gemacht, mir dazu Hilfe geholt. Und ich habe so weit wie möglich aufgearbeitet, was aus Kraftmangel liegen geblieben ist.

Die Kinder haben den Wechsel in die Stadt und die damit verbundene Selbständigkeit genossen, sind sehr daran gewachsen. Manches mal zuckte mein Mutterherz, wenn ich die Unterschiede der Schulen spürte, obwohl ich viel Zeit vorher in deren Auswahl gesteckt habe. Ein "Willkommen um realen Leben" ging dabei durch meinen Kopf, wenn ich an das Behütetsein vorher dachte. Und beides war richtig, jedes zu seiner Zeit.

Ich genieße die Stadt genauso, die Möglichkeit, die meisten Wege zu Fuß machen zu können, die Kinder zum Briefkasten mal schnell um die Ecke schicken zu können statt 5 km mit dem Auto fahren zu müssen oder mal schnell zum Räucherschiff, wenn im Kühlschrank nichts lockt. Ich genieße die Freiheit, dass die Kinder allein mit dem Bus in die Schule fahren können und nicht zum Bahnhof gefahren werden müssen, weil Bus und Bahn nicht aufeinander abgestimmt fahren. Ich genieße die Möglichkeit, abends auch mal ein Glas Wein außer Haus trinken zu können. Und die gewonnene Zeit können wir für Ausflüge auf die Insel nutzen ;-)

Dieser Umzug ist also weit mehr als ein Wohnungs- und Ortswechsel. Er ist ein Neubeginn. Er war eine Art Häutung für mich. Und die Brücke zur Insel ist eine Art Filter geworden. Ich entscheide, was ich mit hinüber nehme und was ich dort lasse.

  
    
   
 Stellvertretend für manch anderes noch habe ich die Kartoffeln am Sonntag noch schnell ausgebuddelt und mitgenommen. Im Frühjahr hatte mein Sohn fünf angekeimte und verschrumpelte Knollen eingebuddelt, jetzt darf er uns zum Essen einladen. Und auf die Schnelle hab ich mir noch winterharte Kräuter ausgegraben, sie dürfen auf meinem Balkon weiter wachsen. Ich denke, sie sind zusammen mit den Walnüssen ein schönes Symbol für die Zukunft.
 

    

Auf Rügen lasse ich symbolisch den Rest der Baumscheibe. Nein, nicht die Asche, sondern den Rest, der durch einen Wasserguss rund blieb. Sie ist immer noch rund. Mögen andere entscheiden, was daraus werden soll ...


Gedanken, die mich auf meinen Pendelfahrten beschäftigt haben, die jetzt reif genug waren zum Rauslassen.
 

Auch zum Bloggen hab ich mir Gedanken gemacht. Ich werde die Rügenfrau bleiben. Aber ich finde, Stralsund ist es wert, genauso einen Fotoblog zu bekommen wie Rügen, mit vielen Fotos und weniger Worten. Es wird nach wie vor Rügenfotos geben, wenn ich auch etwas weniger.

Noch gibt es nur den Namen dafür ... Stadt am Sund. Er ist eine Baustelle und wird auftauchen, wenn ich die Zeit für's Layout gefunden habe.  

Hier wird es vermutlich etwas mehr Worte zwischen den Fotos geben ... jetzt, nachdem ich meine Sprache wiedergefunden habe.  
   
      

   
Ich bin angekommen ... in der Stadt am Sund ...
 
     


5 Kommentare:

  1. Du liebe Antje, ich wünsche dir alles Liebe auf deinen Weg und freue mich auf weiteres Lesen, Schauen, Austauschen mit dir. Ich kann dich gut verstehen. Wie gut das tut, wenn man sich seiner tastenden Schritte sicher wird... Und dazu gehört als erstes die Einsicht, dass sich was ändern muss. Du hast das so gut beschrieben... Das ist ein ganz schöner Beitrag geworden mit der verbrennenden und doch bleibenden Holzscheibe. Fein, dass ihr dort auf Rügen so nach und nach in eurem Tempo Abschied nehmen konntet. Lieben Gruß Ghislana

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  2. Schön, dass du angekommen bist! Und Rügen ist ja nicht aus der Welt...Ich habe meiner Heimatstadt wohnungstechnisch gesehen auch den Rücken gekehrt und nun genieße ich durchaus die zeitweiligen Aufenthalte dort, auch wenn meine Heimat jetzt eine andere ist...Für die Kinder ist so eine Selbständigkeit ganz wichtig! LG Lotta.

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  3. Ich wünsche dir alles Gute in der Stadt und in der Zukunft!
    LG Heidi

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  4. Liebe Antje,
    ein schöner Post mit viel persönlichem von Dir. Ich freue mich, dass Du Deine Sprache wiedergefunden und vor allem die Kurve für Dich bekommen hast. Gratuliere, dass war bestimmt kein Zuckerschlecken.
    Für mich wirst Du sowieso die Rügenfrau bleiben und ich bin total neugierig, wo Du in Stralsund (meiner 2. Liebe) gelandet bist. Ich hoffe ja auf baldigen Kontakt, jetzt wo wir uns nähergerückt sind.
    Alles Liebe und gaaanz viel Freude in Deinem neuen Leben
    Liebe Grüße Joona

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  5. Liebe Antje,
    Du bist angekommen. Das ist toll. Und Du weiß doch, jedem Neubeginn wohnt ein Zauber inne.
    Die zurückgelassene Baumscheibe, die rund geblieben ist, schönes Symbol.
    herzlich Judika

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Ich freu mich über jeden Kommentar, anonyme Kommentare musste ich allerdings abwählen.